Der-Heavy-Metall-Hochsitz – ein Rohr, das nie krepiert

Mit dem Fund dieses Ansitzes regte sich bei mir erstmals der leise Verdacht, in dem von mir frequentierten Wald geht etwas nicht mit rechten Dingen vor sich.

Erlaubt man sich gar einen skurrilen Scherz mit mir, indem man vermeintlich für mein Auge und meine Feder quasi über Nacht die wunderlichsten Hochstühle zusammenzimmert und aufstellt, in süffisanter Erwartung literarischer Spottgesänge zur allgemeinen weidmännischen Erheiterung?  Oder bin ich – wie so oft in meiner plumpen und tollpatschigen Art – unbewusst in eine Art geheime Hochsitz-Weltkulturerbe-Region gestolpert? 

Aber bevor ich nun mit irgendwelchen abstrusen Verschwörungstheorien um mich schieße, hier das verwunderliche Beweismaterial – ungefiltert und unbearbeitet.

Es handelt sich hier tatsächlich um einen Hochstuhl, dessen Tragegestell aus fachmännisch zurechtgesägten hohlen Metallstangen professionell zusammengeflanscht wurde. 

Neben einem bleibenden Eindruck hinterlässt diese Art Konstrukt bei der Schreiberin tatsächlich mannigfaltige Fragezeichen im Gesicht (und dem vorangeschrittenen Alter sei Dank vor allem reichlich fragezeichenförmige Denkerfalten auf der Stirn). Doch will ich mich nichtsdestotrotz an einer weitergehenden Analyse versuchen, auch wenn diese sich sprichwörtlich als „Rohrkrepierer“ erweisen mag:

  • Der Erbauer leidet definitiv NICHT an einer Holzallergie (was der am nächsten liegende Gedanke wäre), denn die Sitzfläche ist nicht aus metallenem Gestänge, sondern aus spartanisch schlichtesten Brettern gezimmert. Zudem scheint der Erwerb eines Jagdscheins als Holzallergiker nicht wirklich erstrebenswert, es sei denn, man ist masochistisch veranlagt oder versucht sich sprichwörtlich an einer Desensibilisierung nach der „Holzhammermethode“.
  • Der Erbauer/ Jäger könnte möglicherweise ein pensionierter Bademeister, Linienrichter oder auch Gerüstbauer sein, der seinem einstigen erhabenen Arbeitsplatz nachtrauert. Er vertraut zudem der Resilienz und Stabilität einer gusseisernen Konstruktion gewohnheitsmäßig deutlich mehr als der Tragkraft nachhaltiger Baustoffe (allerdings bei der Komfortabilität des Gesäßträgers wird dann eben wieder – siehe erster Punkt – Holz bevorzugt, auch wenn es nur ein vergleichsweise dünnes Brettchen ist).
  • Auch wenn dieser Hochsitz gewisse Ähnlichkeit mit einem Kinderhochstuhl hat, schließe ich indes aus, dass der Erbauer/ Jäger sich fernab der eigenen vier Wände ein kindlich-fröhliches Wohlgefühl verschaffen möchte, indem er sich quasi durch bauliche Überdimensionierung schrumpft.
  • Die eigenwillige Konstruktion in Verbindung mit der fehlenden Verankerung im Waldboden erlaubt dem Erbauer eine gewisse revierbezogene Flexibilität, kann das Gesamtwerk doch jederzeit nach Belieben in alle Himmelsrichtungen gedreht, verschoben oder vermittels geeignetem Werkzeug ohne Qualitätseinbuße in seine Einzelteile zerlegt und an anderer Stelle wieder zusammen geschraubt werden. Anders gefragt: Wird ein Jäger in einem standardmäßig herkömmlich fixierten Ansitz dem dauerhaften Anblick des immergleichen Waldausschnittes nie müde?

Nun wünschen wir dem Erbauer/ Jäger noch zum Schluss, dass er bei einem aufkommenden Gewitter hoffentlich rasch das Weite sucht, damit er mitsamt seinem Jagdgerüste nicht zum Blitzableiter oder (Jäger)Spießbraten mutiert, aber möglicherweise empfängt er durch sein tragendes Gestänge ja ohnehin den lokalen Wetterfunk. 😉

Grün, grün, grün ist alles, was ich hab… – der Wellness-Ansitz

Es ist gar nicht so einfach, etwas Grünes in etwas Grünem zu entdecken. Mindestens genau so herausfordern wie etwas Rotes in etwas Rotem – oder haben Sie schon einmal versucht, eine abgefallene Clownsnase aus einer Schüssel Tomatensalat zu bergen? Ich schon, und das mit einer handfesten Clownphobie, aber ich drifte ab…

Hoffen wir einfach, dem Besitzer dieses Hochstuhls ist eine solche Differenzenzierungsproblematik – geschweige denn eine Clownphobie – gänzlich unbekannt!  😉

Jedenfalls bin ich erst unlängst auf dieses schöne waldtannenmoosgrüne – ebenfalls mit einem Drehstuhl bestückte – Exemplar gestoßen und musste nochmals zwei Extrarunden drehen, bis ich dann endlich, mit meinem Smarthone bestückt, den bildlichen Beweis einsammeln konnte:

Der Anblick dieses Ansitzes löst in der Tat ein gewisses Wohlbefinden beim Betrachter aus. Nicht nur, dass er (also der Hochsitz, nicht der Betrachter) durch die weitest gehende Naturbelassenheit der verbauten Materialien in einem zwanglos unperfekten Baustil bodenständig wirkt, der nostalgisch-abblätternde Anstrich des Aufsatzes strahlt überdies tiefste Ruhe und Zufriedenheit aus.  

Man merkt, hier ist jemand ganz in seinem Element. Der Jäger scheint durch diesen waldartigen Umbau quasi eine Symbiose mit dem ihn umgebenden Forst eingehen zu können. Nichtsdestotrotz beherbergt auch dieser Hochsitz zwei störende/ irritierende Besonderheiten:

  • Ein lilafarben gepolsterter Drehstuhl: Nichts gegen eine weiche, rückenfreundliche Sitzgelegenheit, lieber Weidmann, als alternde Dame kann ich das absolut nachvollziehen und möchte im Zeitalter progressiv gestalteter Sitzmöbel auch nicht länger wie ein darbender Minnesänger im Mittelalter sinnlos auf einem Steine oder Brett kauernd warten müssen, bis sich eine Wildsau meiner erbarmt . Aber lila?  Lila – müssen Sie wissen – Lila ist die Farbe der unausgeglichenen Frau. Zumindest wurde mir das einst (von wem und bei welcher Gelegenheit trete ich hier nicht aus) gelehrt, seitdem besitze ich auch nicht ein einziges lilafarbenes Bekleidungsstück mehr. Denn wer, bitteschön, möchte sich selbst als unausgeglichen bezeichnen, geschweige denn, so gewanden: „Ah, hallo, sehen Sie mich an, ich bin eine unausgeglichene Frau!“ … aber ich schweife schon wieder ab.
  • Ein unter dem Ansitz trümmerartig zusammengeschobene Scheiterhaufen alter Bretter:  Tja, womöglich waren Sie, lieber Weidmann, oder ihr letzter Hochsitz etwas zu unausgeglichen und sind mitsamt dem lilafarbenen Drehstuhl aller abblätternden Nostalgie zum Trotze abwärtsgerauscht, als der symbiotisch-morsche Hochsitz unter ihnen nachgab und zu diesem traurig anmutenden Häuflein Restgehölz zusammenbrach. Geradezu symbolisch haben Sie dieses nach Errichtung des Wiederaufbaus an Ort und Stelle belassen, vermutlich auch in der nicht ganz unbegründeten Hoffnung, beim nächsten Sturze etwas weicher und weniger tief zu fallen.

Wie auch immer, ich hoffe, der Weidmann ist wohlauf – es war mir eine Freude und ein großes Glück, auch dieses schöne Exponat meiner Sammlung hinzufügen zu dürfen. Tatsächlich entstammen zum jetzigen Zeitpunkt noch alle Elemente dieser Sammlung ein und demselben Forst.

Möglicherweise hängt mein derzeitiges üppiges Fundglück auch damit zusammen, dass der postwinterliche Wald doch noch recht karg daherkommt – und der stürmische Eberhard hat überdies auch noch sein übriges zur jüngsten Ausdünnung des Forstbestands beigetragen. Vielleicht sollte auch ich, den Waldtieren gleich und doch antizyklisch gerichtet, aus diesem Hochsitz-Segen schöpfend einen „Wintervorrat“ anlegen, damit ich über den Sommer komme! Ansonsten müsste ich mich mit den Tücken des Hochsitz-Fastens auseinander setzen oder ich könnte die Zeit auch nutzen, um meine Clownphobie zu kurieren. Aber ich schweife schon wieder ab….

Der Gesellige – „Zusammen jagt man weniger allein“ oder „Der/ die Letzte macht die Türe zu“.

Dieser Hochsitz besticht vor allem durch seine beeindruckende (bauliche) Größe und Höhe, ist aber auf Grund seiner taktisch geschickten Platzierung nicht unmittelbar von den umherliegenden Wegen aus sichtbar.

Vermutlich hat der/ haben die Hausherr(en) deshalb auch die Türe sperrangelweit offen gelassen (oder aber *gemeine Bloggerin* um die Ausdünstungen des letzten als „Jagd“ getarnten kollektiven Hochsitzgelages abzuführen). Der mit dieser symbolisch einladenden Geste verbundene Impuls, die hohe Leiter erklimmen und das Innere dieses überdimensionierten Jagdkartons persönlich inspizieren zu wollen, ist bei der Schreiberin indes ausgeblieben. (Deshalb ist sie ja Schreiberin, denn die Fantasie ist grenzenlos, die Realität oft ernüchternd, womit wir nolens volens wieder bei den Ausdünstungen angelangt wären…).

Dass dieser Ansitz für eine Sippenjagd ausgelegt sein könnte, ist auch an der besonderen Statik des hölzernen Unterbaus erkennbar. Die tragenden Elemente wurde zusätzlich nach allen Himmelsrichtungen hin abgestützt, so dass im Inneren durchaus auch mehrfüßig getrampelt, gehüpft, getanzt, geschwungen, geschunkelt und geschwoft werden darf. (Ist dies wirklich ein Hochsitz?)

Anbei nun ein paar erhellende Anblicke ….

.. und ein paar erhellende imaginäre Szenen einer „geselligen“ Jagd in lokal gängiger Mundart:

  • *klopfklopf* (forsch) „Horschd! Beschd scho drenne? Händ ihr scho ohne mi ohgfonge?“ „Ha noi, du Gscheidle, Du hesch doch dui Gwähr im Karre, jetzt komm scho nei ond schwätz net, sonschd werds Biar driab.“ (Rehe umstreifen neugierig den Ansitz, geschossen wird heute wohl nicht mehr…)
  • „Äääberhard! Wach uff, Du Schlofdasch! I henn oin vorm Lauf!“. „Sappermoschd, Karrle, I siag nigs, jetzt fuchdel doch ned so met doim Gwähr!“. „Sammol, du Bachel, I hen en exagd em Wisier ghäd. Dätsch du ommal gescheid jogah anschdadd ällsonndag doin Rausch von dr Boiz…“ Eberhard fällt an dieser Stelle  Karl rüde ins Wort „Gescheid jogah??? I glaub do spennsch!!!“   (Rehe umstreifen neugierig den Ansitz, geschossen wird heute wohl nicht mehr…)
  • *klopfklopf* (zaghaft) „Ärwiiin, bisch Du scho doa?“ „Ha, sell isch gwiiehs, mei Herzle, komm no nei ond machs Diarle zu, net dass mr feil gsäh werre.“ (Rehe umstreifen neugierig den Ansitz, geschossen wird heute wohl nicht mehr…)

Sie sehen an den vorhergehenden Ausführungen, dass es (zumindest mir) schwer fällt, sich eine Jagdszene vorzustellen, bei der zwei Jäger in weidmännischer Harmonie nebeneinander auf diesem Ansitz Platz nehmen – jeder einen Gewehrlauf aus einem Fenster streckend und einträchtig schweigend zu warten….(fast in Analogie zu einer Angelszene). Hingegen die folgende Vorstellung fällt mir leicht:

Rehe umstreifen neugierig den Ansitz, geschossen wird heute wohl nicht mehr…

Der Schnellbausitz – hast Du keinen, bau Dir (fix) einen…

Dieser Hochsitz gehört zur Kategorie „Hoppla, irgend etwas ist hier heute aber anders… *grübel*“. Denn beim Laufen bin ich förmlich über diesen Neuling  gestolpert; wie einer dieser im Instagramzeitalter populär gewordenen „Pop-up-Stores“ oder wie die Pilze der Saison 2018 ist dieses Modell über Nacht förmlich aus dem Boden geschossen. Und das spannendste (ja, wie immer steckt der Jäger im Detail) – es wurde nicht einmal ansatzweise versucht, dieses eilige Unterfangen zu vertuschen, denn der Errichter schien so im Eifer seines Werkens aufzugehen, dass er es versäumt hat, alle Etiketten an den Bauteilen zu entfernen… Oder vielleicht war es ihm auch (jagd)wurstegal, denn er wollte einfach endlich auch *dazugehören* – denn was ist ein Jäger ohne Hochsitz? – diese Frage ist es durchaus wert ein (anderes Mal) ausführlich erörtert zu werden). Nun das diesen Fall begleitende Bildmaterial:

  • These 1: Der Jäger verfügt über zwei linke Hände bzw. über wenig handwerkliches Geschick. Dies könnte für eine erfolgreiche Jagd möglicherweise ebenfalls ein Hindernis darstellen – es muss sich aber nicht zwangsläufig ausschließen, denn Bob der Baumeister ist tatsächlich ein miserabler Schütze.
  • These 2: Der Jäger hat wenig Zeit bzw. der Hochsitz musste zügig erstellt werden. Der Jäger hat daher beim Online-Versandhändler „Hochsitz-Now“ den Bausatz „Flinker Hubertus“ für 199 Euro bestellt und nach Hause liefern lassen. Mein Mitleid gilt in diesem Falle dem in die Bestellung eingebundenen Paketdienst, denn dieses Paket konnte mit Sicherheit nicht über den Balkon geworfen werden.
  • These 3: Der Jäger hat diesen Hochsitz zur bestandenen Jagdscheinprüfung geschenkt bekommen. Hach, das ist mal eine wildromantische Vorstellung… Möglicherweise haben seine Liebsten eine große rote Schleife um den Sitz gebunden und den frischgebackenen Weidmann mit verbundenen Augen zum Sitz geführt, um dann das Augenband zu lüften…

In gewisser Weise macht dieser Sitz Hoffnung, denn man kann auch als Hammerklaus (handwerklicher Laie)  zu seinem Hochsitz (oder Hochkabuff) kommen, andererseits fragt man sich beim Anblick dieses Sitzes auch, ob sich hier ein bedenklicher Trend (wie wir ihn ja aus vielen anderen Lebensbereichen bereits kennen) in Richtung serielles „Fertigprodukt“ entwickelt. Umso wichtiger sehe ich dieses mein Projekt, all den Hochstühlen unserer Wälder und ihrer unerschütterlichen und liebenswerten Individualität ein Gesicht, eine Stimme und eine Plattform zu geben! (Hätte ich ein Jagdhorn, könnten Sie nun als lautmalerische Unterstreichung dieses Schlusswortes ein mehrfaches trotziges Hupen vernehmen, haben Sie ausreichend Fantasie, stellen Sie es sich bitte einfach vor).

Der Büro-Ansitz – gut gesessen ist halb geschossen

Ja, genau, hier musste auch ich zwei Mal hinsehen (und wer noch ein drittes Mal hinsieht, erkennt meinen staunenden Schatten beim Fotografieren) – und dies ist bis dato auch das einzige Bild, das einer informationstechnischen Nachbearbeitung in Form einer Aufhellung bedurfte, damit das Herzstück dieses waldfarbenfrohen Hochsitzes besser zur Geltung kommt: Es ist tatsächlich ein Bürostuhl, genauer gesagt, ein höhenverstellbarer Drehstuhl mit Rollen, der in luftigen Höhen ein scheinbar berechtigtes Dasein fristet.    

Und hiermit geht das große Rätselraten auch schon los. Man kann sich bzw. ich habe mir hier viele Fragen gestellt, auf die ich leider weniger viele zufriedenstellende Antworten finde – zum Beispiel:

  • Wie kommt dieser Stuhl da verdammt noch eins hoch? (Ich habe spaßeshalber meinen Mann gefragt, was er vermutet – der meinte im Brustton der Überzeugung: „Hochgehievt.“ Hm. Nun, wie auch immer der Stuhl a) bis zum Hochsitz und b) auf den Hochsitz kommt, es war mit Sicherheit mit gewissen Anstrengungen verbunden. Aber dem Hochsitznutzer schien es die Mühe wert, was mich zu meiner zweiten Frage bringt:
  • Hat der Ansitzer möglicherweise ein Rückenproblem? Denn wenn das der Fall ist, dann fällt es mir schon sehr viel schwerer, auf die vorhergehende Frage eine passende Antwort zu finden. Mal angenommen, der arme Weidmann hat einen Morbus Bechterew (was bedeutet, dass seine Wirbelsäule in höchstem Maße bewegungseingeschränkt ist) und nutzt diesen Stuhl bzw. dessen diverse hydraulische Lift-, Neigungs- und Drehfunktionalitäten zur indirekten Ausrichtung seines Gewehrs. Dann muss er aber immer noch die Leiter in beiden Richtungen bewältigen. Das ist Arbeit, was mich zu meiner dritten Frage(nserie) bringt:
  • Ist das ein offizieller Arbeitsplatz – jagt hier vielleicht ein Beamter im Ruhestand? („Liebes Wildschwein, bitte ziehen sie eine Nummer und stellen Sie sich an, Sie werden zügig abgeschossen, sobald ihre Nummer an der Reihe ist.“)  Transponiert hier jemand eine ihm bekannte arbeitstägliche Routine in seinen Freizeitbereich? („Schatz, ich muss noch ein paar Stunden in mein Waldbüro, warte bitte nicht mit dem Abendessen auf mich.“)

Was aber meiner Meinung nach sicher ist – der Stuhl (oder ein ähnliches nicht-organisches Sitzmöbel) muss bereits Teil des Bauplans gewesen sein, denn der Hochsitz ist nach hinten vollständig offen und bietet auch im Inneren (soweit ich das von außen – denn ich bin durchaus abergläubisch und berühre die Hochsitze über die ich schreibe nicht –  beurteilen konnte) keine eigene Sitzmöglichkeit.

Schlussendlich sei noch angemerkt: Dieser Hochstuhl hat eine wunderschöne formvollendete und waldfarbenfrohe Leiter –  was man durchaus zur Kenntnis nehmen kann, wenn man es schafft, sich gedanklich von dem darin aufgestellten Bürostuhl zu distanzieren – was wiederum schwerfällt, wenn man diesen meinen Aufsatz gelesen hat.

Der Puristische – Zweitwohnsitz mit seitlich drapiertem Tarnnetz

Dieser Hochsitz ist eine optisch äußerst eigenwillige Kreation, die ein Potpourri an Überraschungen in sich birgt. Wenn ich als Hochsitz wiedergeboren würde, vermutlich würde ich so in etwa aussehen.

Sobald man ihn – seiner nahezu mimikryischen Tarnung zum Trotz – entdeckt, sticht (neben dem Brombeergestrüpp, dass es hierzu zu durchschreiten gilt) als erstes seine Rückgratlosigkeit ins Auge: er ist martialisch in den Stamm eines wachsenden Baumes genagelt.

Man möchte es kaum glauben, aber auch hier wurde (siehe 1-Zimmer-mit-Balkon-und-Aussicht) äußerst akribisch gezimmert. (Interessanterweise stehen sich die beiden Hochsitze fast gegenüber, möglicherweise ist der Besitzer derselbe und eine Art gestaltwandelnder Jäger a la Jekyll und Hyde). Auch scheint die Aussicht, nassen Hauptes und Fußes zu jagen in beiden Fällen keine gangbare Option: auch dieser Hochstuhl verfügt über eine großzügige Bedachung und (zum Schutze der  – vermutlich senilen – Lenden vor Nässe, Kälte und Zugluft)  über einen gummiartigen Klappschurz.

Das spannendste Detail ist aber ein an der linken Seite des Sitzes hängendes überdimensionales Tarnnetz, das über und über von künstlichem Efeu durchwirkt ist. Hierzu stellen sich die folgenden Fragen:

  • Dient es der Abdeckung des Hochsitzes (wahlweise mit/ ohne Jäger)?
  • Praktiziert der Jäger eine besondere (schussfreie) Methode der Jagd, indem er das Netz auf sich nahende Opfer wirft, sich sodann vom Hochstuhl in halsbrecherischer Verve auf seine Beute stürzt und diese mit den baren Händen niederringt?
  • Ist es eine Art malerisch andrapierte Dekoration zur gestalterischen Unterstreichung der Besonderheiten dieses Ansitzes?

Zum Jäger: In Anbetracht der letztgenannten Fragestellung und unter sorgfältiger Abwägung der einzubeziehenden Details komme ich zu dem Schluß, dass dies, sofern es nicht der Hochsitz des Alter Ego vom Besitzer des 1-Zimmer-mit-Balkon-und-Aussicht ist, es möglicherweise der Hochsitz dessen entweder ebenfalls jagender Gattin oder seiner Jagd in sicherer Entfernung sitzend beiwohnenden Gattin sein könnte. Oder etwa doch nicht?

1-Zimmer-mit-Balkon-und-Aussicht

Ganz anders als viele seiner staksig-zweckmäßigen und puristisch-kargen Artgenossen kommt dieser Hochsitz (und „Hochsitz“ will hier gleich gar nicht als treffender Ausdruck passen)  geradezu solide, fachmännisch gezimmert und  einladend geräumig daher. Die äußerst stabile Leiter endet nicht direkt im Ansitz, nein, der Weidmann erklimmt frühmorgendlich frohlockend ein balkonartiges Plateau, auf dem er sich – vermutlich im Anschluss an stundenlanges starres Verharren in seiner Jagdbehausung – ausgiebig zu recken und zu strecken vermag! Vor all zu intensiver Sonneneinstrahlung schützt ihn hierbei ein großzügig geschnittenes, segelartiges Dachbrett.

Beachtlich die zahlreichen Details, fast scheint es, als sei gar nichts dem Zufall überlassen, selbst die Längen und Breiten der feinsäuberlich zugesägten und (mit Unterlegscheiben) aufgeschraubten Leitersprossen scheinen exakt vermessen. Auch die stabilisierende Statik des Unterbaus scheint ein genialer Ausfluss deutscher Ingenieurskunst. Hier kann auch nach einem Orkan oder einem Erdbeben noch pflichtschuldigst und ohne Abstriche ins Jagdhorn geblasen werden.

Von der Seite sind weitere Finessen erkennbar. Ein Klappfenster (man beachte die Scharniere!), dass aus dem Inneren mittels einer Zugschnur manuell stufenlos – wahlweise zu Zwecken der Ventilation oder der Waffenauflage/ Peilung – geöffnet und geschlossen werden kann. Auch scheint der breite Schlitz am Unterboden des Gehäuses durchaus beabsichtigt, möglicherweise zur Druckentlastung des Gesamtkonstruktes bei Winden (von außerhalb!). Insgesamt ist dieser Hochsitz für längere Verweildauern konstruiert und gerüstet.

Zum Jäger daselbst: Handwerklich top. Nichts dem Zufall überlassend. Zudem ein Genussmensch. Somit Jagd als beide Elemente vereinendes, damit ideales Hobby. Erlegt seine Beute vermutlich mit Blattschuss und verwertet sie nahezu vollständig.

Intro – Wieso denn bloß der Jägerhochsitz???

Diese Frage ist durchaus berechtigt, weil ich sie mir erst einmal selber stellen und beantworten musste. Tatsächlich war der Zufall am Werk. An einem sonnigen Morgen nach etwa zehn Kilometern absolvierter Laufstrecke meldete sich mein Morgenkaffee in Form eines dringenden Bedürfnisses. Da wir Frauen der Schöpfung uns mal nicht eben lässig längs zum Weg drehen können, verkroch ich mich (denn ob der kalten Jahreszeit war der Wald nahezu laublos) in die Untiefen eines vom Laufweg abgehenden unbefestigten Waldwegs. Als ich da – Verzeihung! – urinierend kauerte und meinen Blick schweifen ließ (man möchte ja in dieser peinlich anmutenden Situation doch halbwegs rechtzeitig reagieren können, sofern Wandersmann, Biker oder Wildschwein den Weg kreuzen), entdeckte ich einen Steinwurf hinter mir eine kleine Lichtung mit *tada* einem Jägersitz darauf. Das ist ja erst einmal nichts besonderes. Ich habe doch in meinen 41 Jahren schon einige Hochsitze gesehen und auch bestiegen (was aber laut Gesetz, wie ich neuerdings weiß – und wir sind froh, dass in unserem Lande Alles so detailliert geregelt ist – verboten ist!!!). Zweiteres auch eher widerwillig, sowohl als Kind, als auch als Erwachsener. Aber dazu an einer anderen Stelle mehr.

Hier war es indes nicht der Hochsitz, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern die vom Jäger zum minutiös präparierten Schlachtfeld umfunktionierte Lichtung: in der Mitte der Lichtung hatte er drei Haufen faulige Äpfel feinsäuberlich gestapelt drapiert, darum herum hatte er einige tiefe Gruben ausgehoben, die er mit losen Ästen abgedeckt hatte. Am Ende der Lichtung hatte er auf dem bleichen Stumpf eines abgestorbenen Baumes einen Leckstein drapiert, genau in der Schusslinie seines Hochsitzes, vielleicht in 20 bis 30 Metern Entfernung.  Obwohl es schon heller Vormittag war und die tief stehende, gleißende Wintersonne die Lichtung flutete, konnte ich mir ohne Probleme vorstellen, wie das Wild an den Rand der Lichtung trat, am Leckstein schnüffelte, leckte und dann nach einem hallenden Büchsenknall an Ort und Stelle niedergestreckt wurde….  ich drehte mich zum Hochsitz um und begann, diesen in schauerlicher Faszination genauer zu inspizieren, um mir ein Bild über dessen Nutzer und Besitzer zu machen…..

Und so, mit dieser ersten intensiven und damit prägenden Begegnung beginnt auch die Geschichte dieser Seite. Denn seitdem entdeckte und entdecke ich laufend neue Exemplare und jeder einzelne Jägerhochsitz erzählt mir in seiner Einzigartigkeit eine ganz eigene Geschichte, die ich gerne teilen möchte.  Auch wenn es am Ende nur das Werk meiner uferlosen Phantasie ist…

Hochsitz-Poesie

Hoch oben thront er.

Oder wohnt er?

Der mit Gewehr.

Oft ist er schwer.

Der Jägersmann.

Ist es ein Sport?

Oder einfach nur Mord?

Ein Zeitvertreib?

Eine Zeit ohne Weib?

Schützt er den Wald?

Indem er drin knallt?

 Hab ihn noch nie auf dem Hochsitz geseh’n.

Ich denk‘, ich muss künftig früher aufsteh’n.